Die neue Wöstlichkeit

Kann man nicht eigentlich irgendwie auch die guten Werte des Ostens mit den guten Werten des Westens (im Sinne der Wirtschaft, Politik, Ethik, Menschlichkeit, Tradition, Religion usw.) verbinden und zu einer einheitlichen Gesinnung formen, die im Ganzen irgendwann zu einer weltfriedlichen Entwicklung beitragen könnte? Also wie genau, da habe ich konkret noch nicht darüber nachgedacht.

Und ganz besonders die guten Werte, wohlgemerkt. Darüber können ja Humanisten entscheiden. Vielleicht.

F E A R

Die Corona-Pandemie ist noch nicht für beendet erklärt, wenigstens nicht hierzulande, da grassiert schon ein weiteres, nicht unbekanntes, aber trotzdem verstörendes Virus.

Das Virus heißt Angst und scheint wie bescheuert um sich zu greifen. Es verbreitet sich rasant.

Angst vor dem Krieg, vor Atomkatastrophen, vor neuen Regierungen, vor Armut, steigenden Preisen, Verbrechen, Energienotständen, Angst vor dem Alleinsein, vor Veränderungen, Ausländern und Minderheiten, dem Klimawandel und vielem mehr. Übertragen wird es vorwiegend durch Nachrichten aus dem gesamten Medienbereich, aber auch verbal, von Mensch zu Mensch, via Gesprächen.

Es macht übrigens keinen Spaß, Angst zu haben, genau so wenig wie Nachrichten zu hören, zu lesen oder zu sehen. Sie blockiert das sowieso geschwächte Denkvermögen, stiftet Verwirrung und Unruhe und zerstört das hart erkämpfte Gleichgewicht aus mentaler, seelischer und körperlicher Gesundheit.

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Der heutige Ausflug zum Bielefelder IKEA veranschaulicht in meinen Augen nicht nur den Wahnsinn, sondern auch die Widerlichkeit unserer habgierigen Gesellschaft. Je größer eine Stadt, desto unsozialer die „Menschen“ darin. Egoistisches, trampeliges und respektloses Verhalten, wo man geht und steht. Abfällige Bemerkungen direkt hinter einem, wenn man nicht sofort spurt, wenn es um das Einreihen in die Kassenschlange geht, weil man noch auf jemanden wartet. Auf das Wort „man“ möchte ich übrigens bald auch verzichten, weil es so dumm verallgemeinernd ist.

Zwanzigtausend Autos auf den Parkplätzen, knallende Autotüren, hustende Menschen, röhrende Motoren, hektisches Hin und Her.

Blöde Leute, die über andere lachen und deren Verhaltensweisen kommentieren.

Der heutige Ausflug zum Bielefelder IKEA war der letzte meines pieseligen Lebens und auch überhaupt allgemein der Besuch von Geschäften wie diesen. Das ist doch alles eine riesige Gaunerei, ist das, wenn ihr mich fragt.

Dr. Diesel hat mich stets gefragt in unseren Gesprächsterminen, wie ich mich in der „bösen Welt dadraußen“ so zurecht finden würde. Das war vor vier Jahren ungefähr und: bis heute nicht besonders gut, um ehrlich zu sein. Dr. Diesel wird nun Chefarzt von der gesamten Dingsdabumsda Klinik und in ungefähr zwei Jahren wird er in den Ruhestand gehen. Auf keinen Fall will ich in diesem Fall wieder jemals krank werden, denn ein weiterer Aufenthalt in der Dingsdabumsda Klinik ohne Dr. Diesel ist für mich einfach nicht erstrebenswert. So.

Es gibt einfach keine Villa Kunterbunt mit ganz viel Harmonie und Frieden und so weiter.

Liebe Gemeinde

Vom Wesen der Alltagsvegetation, die mich total fertig macht und meine schwindende Gehirnsubstanz dazu bewegt, Gedanken an die Eintönigkeit des Lebens zu entwerfen.

Die „Struktur“ meiner gesamten Tagesabläufe ist so dermaßen festgefahren, das fühlt sich schon peinlich an. Ordnung und so was alles, Dinge, die ein System haben, Pläne etc. haben mir immer ein Gefühl von Sicherheit gegeben. Immer genau zu wissen, was als nächstes passiert. Obwohl ich natürlich keine Hellseherin bin.

Aber wenn ich wirklich darüber nachdenke, befinde ich mich eigentlich in einem großen Hamsterrad. Jeden Tag früh raus, Kaffee, anziehen, Rucksack packen, rauchen, kotzen von der Übelkeit der Zigarette, scheißen, Zähne putzen, Bushaltestelle und dann ab. An der riesigen Sparkassenzentrale aussteigen, zehn Minuten Fußweg durch die gleiche Zone der Stadt, Menschen doof finden, die mir begegnen, Blicke hier und da.

Wenn ich dann ankomme, arbeite ich meine Zeit ab, 1 x stündlich rauchen. Wenigstens.

Ja, und dann gehe und fahre ich irgendwann wieder nach Hause, nachdem ich mich bestimmt schon zwanzig Mal über irgendetwas geärgert habe (blöde Kassiererin, miese Radiosongs, Produktionspfusch auf der Arbeit, schlendernde Schnarchnasen, ordinäre Ausdrucksweisen, Kicker-Niederlagen usw.) und bin auch nicht gut drauf zu Hause.

Kaffee, rauchen, schwimmen im Pool, Crosstraining, duschen.

Das ist Leiden auf hohem Niveau, würden manche jetzt sagen. Freu dich doch, dass es dir so gut geht.

But my soul, for real, is crying about this, weil ich meine wirklichen Herzenswünsche und meine geistigen Fähigkeiten, die ich mal hatte, total verkümmern lasse irgendwie, wie ich einfach versuche, mich der Gesellschaft anzupassen, zu funktionieren, Leistung zu erbringen und nebenbei meinen Körper zu trainieren.

Das fühlt sich distopisch an für mich. Mein Künstlerherz verwelkt auf eine brutale Art und Weise. Ich fühle mich wie ein Schwachkopf, den Anweisungen einer Industrie folgend, die den Menschen miese, vornehmlich materialistische Werte vermittelt. Oberflächlichkeiten, Leistungsdruck, Konsum, Streben nach Erfolg. Ich glaube auch nicht an die Gleichberechtigung.

So. Dies ist mein miesepetriges Wort zum Freitag. Wochenende ist scheiße und ich hasse die Welt.